die heutige Arbeitswelt

Es wird bewusst von der heutigen Arbeitswelt gesprochen und nicht von der neuen Arbeitswelt. In zahlreichen Artikeln wird von einer neuen Arbeitswelt und einem radikalen Umbruch in der Arbeitswelt gesprochen. Natürlich ist nicht zu negieren, dass sich die Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten mehr denn je verändert hat. Dennoch hat sich diese Arbeitswelt im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt (ganz im Sinne der Evolutionstheorie). Es handelt sich nicht um eine Arbeitswelt die plötzlich auftauchte. Ziel sollte es also nicht sein, die Entwicklung der Arbeitswelt mit Furcht und als Herausforderung zu beschreiben, sondern vielmehr als Entwicklung unserer Selbst und unseres Lebens und somit als natürliche Gegebenheit zu betrachten. Unternehmen müssen sich also ganz normal weiterentwickeln, um mit den heutigen Anforderungen der Arbeitswelt zurecht zu kommen. Tun sie dies nicht, werden sie ganz im Sinne des Darwinismus irgendwann nicht mehr bestehen.

 

 

Die heutige Arbeitswelt wird in zahlreichen Artikeln und vom Unternehmen selbst als herausfordernd und komplex beschrieben. Durch die Digitalisierung sowie Technologisierung und die daraus resultierende Flexibilisierung von Arbeit wird die Arbeitswelt von einem nie zuvor gekannten Tempo bestimmt. Dies wird besonders durch die neuen Kommunikations- und Informationsstrukturen wie beispielsweise Internet (E-Mail, soziale Medien, usw.) und andere Devices (diverse Apps, Handy und Tablet) sowie die unbegrenzte Verfügbarkeit digitaler Daten (big data) bedingt.[1] Dank dieser kann man heute von überall arbeiten und ist immer erreichbar. Smart Working, d.h. weg vom klassischen Büro hin zur flexiblen Arbeitsorten, rückt immer mehr in den Mittelpunkt.[2]

 

Aufgrund der Digitalisierung und Technologisierung wird die Welt als immer komplexer beschrieben und die Komplexität als Ursache für Überforderung und Unzufriedenheit gesehen.[3] Dabei muss jedoch terminologisch zwischen den Begriffen Kompliziertheit und Komplexität unterschieden werden. Kompliziertheit beschreibt Dinge, die quantitativ gezählt bzw. gemessen werden können. Somit ist etwas Kompliziertes zwar schwierig zu lösen bzw. vorherzusagen, dennoch lösbar und vorhersagbar. Wird beispielsweise ein Uhrwerk betrachtet, so kann es sehr kompliziert sein den Fehler im Uhrwerk zu finden, da jedoch alle technischen Daten und Fakten bekannt sind, kann trotzdem eine Lösung gefunden werden. Komplexität hingegen beschreibt einen undefinierbaren und vagen Zustand. Dieser kann nur beobachtet, gegebenenfalls beeinflusst, jedoch nicht kontrolliert oder gar prognostiziert werden. Komplexe Phänomene lassen sich nicht nur einzelne Elemente zerlegen und mit Relationen verknüpfen. Komplexe Systeme werden auch als etwas Lebendes beschrieben, wie diese auf verschiedene Einwirkungen reagieren, kann nicht vorhergesagt werden. Folglich kann Komplexität nicht gemanagt oder gar reduziert werden. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass heutige Führungskräfte und Mitarbeiter überfordert sind, wenn sie keine klaren Verhältnisse oder Problemstellungen sowie die notwendigen Informationen verfügen. Vieweg weist in seinem Buch Management in Komplexität und Unsicherheit darauf hin, dass es grundsätzlich andere Konstrukte und Paradigmen benötigt, um in einer komplexen Welt erfolgreich zu sein.[4] Paradigmen, welche mit Komplexität angemessen umgehen können. Hierfür ist jedoch für zahlreiche Organisationen und Führungskräfte, welche insbesondere durch traditionelle Managementmethoden geprägt sind, ein fundamentales Umdenken notwendig.[5]

 

 

Durch die neuen Informations- und Kommunikationswege sowie die stetige Erreichbarkeit der Mitarbeiter entwickeln sich neue Arbeitsformen und Produktionskonzepte.[6] Diese sind wie gerade angemerkt „nicht mit dem Muster klassischer, hierarchischer Unternehmens­(strukturen)“[7] vereinbar. Denn im klassischen Hierarchie-Denken Laufen Entscheidungsprozesse zu langsam ab, die in einer hochdynamischen Welt Zeit verschenken, die die Unternehmen nicht besitzen. Vielmehr liegt der Fokus der Zusammenarbeit auf interdisziplinären, internationalen und dynamischen Projektteams, welche aus den verschiedensten Spezialisten bestehen. Außerdem wird die heutige Zusammenarbeit durch flache Hierarchien, mehr Mit- und Selbstbestimmung bestimmt. So können schnell Entscheidungen getroffen und sich flexibel auf Marktveränderungen eingestellt werden. Auch innerhalb der Teams ist anzumerken, dass Prinzipien und Werte, wie zum Beispiel Transparenz, Vertrauen, Einfachheit, direkte Kommunikation und Nachhaltigkeit in der heutigen Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung erlangen. Dies kann jedoch nicht durch Kontrolle und Befehle erreicht werden. Vielmehr verlangt dies eine vertrauensvolle Unterstützung seitens der Führungskräfte und des Teams. Traditionelle Führungsverhalten nach Hierarchie und „Command and Control“ sind somit fehl am Platz.[8] Die Dauer der Zusammenarbeit ist jedoch flexibel, sie können dauerhaft zusammenarbeiten oder nur für bestimmte Zeiträume.[9]

 

 

Der Trend hin zur transformationalen Führung oder gar zur Abschaffung von Führungen und Hierarchien wird in der heutigen Arbeitswelt immer häufiger umgesetzt. Egal welche Zusammenarbeitsform gewählt wird, der Mensch steht im Mittelpunkt. Führungskräfte vermitteln ihren Mitarbeitern den Sinn und die Vision des Unternehmens. Mitarbeiter werden motiviert und unterstützt auch kreative Methoden auszuprobieren. Diese Entwicklung geht weg vom managen (Transaktionale Führung) hin zum führen (Transformationale Führung). Es steht nicht mehr die Aufgabe und der Prozess im Mittelpunkt, auch nicht die Sicherstellung von Leistung- und Gewinnmaximierung und auch Kontrollmechanismen werden nur noch in stark verminderter Form eingesetzt. Vertrauen ist eines der wichtigsten Merkmale der heutigen Arbeitswelt.[10] Zudem hat es eine Erwartungsverschiebung bei jüngeren Mitarbeitern gegeben, Ziel ist es nicht mehr eine hohe Position im Unternehmen zu erreichen, das ist auch meist gar nicht mehr möglich, stattdessen benötigen Mitarbeiter Unterstützter bzw. „Follower“. Es kann also nicht mehr aufgrund der Position Entscheidungen getroffen werden. Diese sind nur noch durch demokratische Prozesse zu erreichen.[11] Heutige Geschäftsführer zeichnen sich aus durch besondere Leidenschaft und Begeisterung, Entschiedenheit und Mut, Zurückhaltung und Verzicht sowie Empathie. Es geht nicht darum sich selbst in den Mittelpunkt zu rücken und Starallüren zu zeigen, sondern vielmehr darum den Sinn des Unternehmens zu leben.[12]

 

 

Kollaboration und Netzwerke spielen eine zentrale Rolle, denn in hybriden Arbeitswelten gilt es immer stärker vernetzt zu sein.[13] Somit schließen sich Menschen in Netzwerken zusammen, teilen kostenlos Informationen und Wissen und unterstützen sich gegenseitig.[14] Dieser Altruismus entsteht durch intrinsische Motivation und das Gefühl etwas beitragen zu können. Durch diese intrinsische Motivation arbeiten Menschen effizienter und durch den gegenseitigen Austausch und Unterstützung können sie höhere Leistungen erreichen. So entstehen viel schneller neue Produkte und Ideen. Vor allem Start-ups setzen auf diese Form der Zusammenarbeit und sind damit sehr erfolgreich. Auch in der Produktion entwickeln sich dynamische Wertschöpfungsketten. Diese finden nicht mehr sequenziell und zeitversetzt sondern vielmehr in „einem Geflecht ständig kommunizierender und flexibel aufeinander reagierender Einheiten“[15] statt.[16]

 

 

Einen nicht unwesentlichen Beitrag spielt die Generation Y[17] bei dieser Entwicklung. Die Generation Y (auch als Digital Natives bezeichnet) ist "flexibler, mobiler und auch komplexitätskompetenter als die ältere Generation."[18] Sie arbeitet projektorientiert, deshalb ist es selbstverständlich Aufgaben als Projekte zu definieren. Teamarbeit gehört zum Alltag. Sie ist zudem "eher in der Lage und bereit […], in widersprüchlichen Konstellationen zu leben und zu arbeiten als die älteren Generation. Sie sind sozusagen Komplexität von Haus aus gewöhnt. Auch ihr selbstverständlicher und sicherer Umgang mit Computer, Internet und Smartphone und von Kommunikationsplattformen wie Facebook, Twitter und Co. zeigt dies"[19].[20] Diese Generation ist nicht mehr bereit, sich in die traditionellen Organisationsstrukturen einzuordnen. Denn sie sind meist ohne Hierarchien aufgewachsen, und konnten sich selbstbestimmt in Netzwerken organisieren. Somit ist auch nicht verwunderlich, dass Selbstbestimmung, Verantwortung zu übernehmen und Zusammengehörigkeit mehr Bedeutung erlangen als beispielsweise Karriere oder Geld.[21]

 

 

Aufgrund des Fachkräftemangels in Deutschland sind auch die Unternehmen zunehmend auf diese Generation angewiesen, deshalb müssen sich die Unternehmen auch weiterentwickeln, um für die Generation Y attraktiv zu sein. Aber auch um den Anforderungen der sich schnell veränderten Umwelt gerecht zu werden, müssen sich auch die Rahmenbedingungen im Unternehmen und das bisherige Verständnis von Arbeit und Arbeitsmethoden weiterentwickeln. Mit den linearen Modellen, die bisher in Unternehmen existieren, ist das nicht mehr so möglich. Denn Entscheidungen dauern insbesondere in traditionellen und Matrixorganisation zu lange. Einige kleine und mittelständische Unternehmen Unterlagen schon dem Marktdruck und mussten ihre Strukturen weiter entwickeln. Deshalb nutzen auch viele Startups andere Organisationsstrukturen. Es brechen „die Grenzen des Systems „Unternehmen“ […] auf […]."[22] Große Unternehmen sind relativ stabil gegenüber Marktveränderungen und den Marktdruck, deshalb merken diese erst recht spät, dass sie sich weiterentwickeln müssen. In den letzten Jahren erkannten sie aber die Notwendigkeit, da bereits kleinere und mittelständische Unternehmen bzw. Startups Marktvorteile generieren konnten (bspw. Snapchat, Airbnb, Etsy, uws.). Es reicht somit auch nicht, dass Unternehmen von ihren Mitarbeitern verlangen die positiven Seiten der neuen Arbeitswelt anzunehmen, wie beispielsweise flexible Arbeitszeiten und schnellere Produktentwicklung, aber gleichzeitig ihr altes Verständnis vom Arbeiten beibehalten. Dies führt nur zu Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern. Da der Mensch als Humankapital zunehmend in den Fokus rückt, und seine Arbeitseffizienz stark von dessen Motivation abhängig ist, können Menschen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beeinflussen. Aus diesem Grunde ist es  sinnvoll, dass Unternehmen ihre Kultur auf aktuelle Bedürfnisse der Mitarbeiter ausrichten und sich gegebenenfalls einen kulturellen Wandel unterziehen.[23]

 

 

Immer häufiger werden agile Methoden genannt, um die beschriebene Komplexität zu meistern.[24] „Agilität und Innovationsfähigkeit sind die Voraussetzung für Unternehmen in der digitalen Welt zu bestehen“[25]. So formulieren es Schweer und Seidemann, aber auch zahlreiche andere Autoren betonen die Notwendigkeit des Wandels hin zu einer agilen Arbeitswelt mit agilen Arbeitsmethoden und dynamische, interdisziplinären Netzwerkstrukturen. Denn agile Methoden können mit Unsicherheiten und ständigen Veränderungen schnell umgehen und sind somit flexibel und anpassungsfähig. Studien zeigen auch, dass Projekte, welche mit agilen Methoden durchgeführt werden erfolgreicher sind als klassisch durchgeführte Projekte.[26]

 

 

Zwar ist die Dringlichkeit der Weiterentwicklung hin zum agilen Arbeiten in zahlreichen Unternehmen bewusst, aber ein Wandel hin zu einer agilen Arbeitsform scheint insbesondere für Matrixorganisationen schwieriger als gedacht.

 



[1] Vgl. Schweer, Dieter/ Seidemann, Sarah: Die neue Macht. Digitale Freiräume, in: Sattelberger, Thomas/ Welpe, Prof. Dr. Isabell/ Boes, PD Dr. Andreas (Hrsg.): Das demokratische Unternehmen. Neue Arbeits- und Führungskultur im Zeitalter digitaler Wirtschaft, Haufe Lexware GmbH & Co. KG Freiburg 2015, S. 129. Sowie Nahles, Andrea: Demokratie und Mitbestimmung in der digitalen Arbeitswelt. Sozialstaatliche Rahmenbedingungen und politische Perspektiven, in: Sattelberger, Thomas/ Welpe, Prof. Dr. Isabell/ Boes, PD Dr. Andreas (Hrsg.): Das demokratische Unternehmen. Neue Arbeits- und Führungskultur im Zeitalter digitaler Wirtschaft, Haufe Lexware GmbH & Co. KG Freiburg 2015, S. 25.

[2] Vgl. Jäger, Wolfgang/ Körner, Peter: New Work, New Leadership. In: Petry, Prof. Dr. Thorsten (Hrsg.): Digital Leadership. Haufe-Lexware GmbH & Co. KG Freiburg 2016, S.103.

[3] Vgl. Vieweg, Wolfgang: Management in Komplexität und Unsicherheit. Für agile Manager. Springer Fachmedien Wiesbaden 2015, S.13ff.

[4] Vgl. Vieweg, 2015, S.13ff.

[5] Vgl. Vieweg 2015, S.19.

[6] Vgl. Nahles 2015, S. 23.

[7] Nahles 2015, S. 25.

[8] Vgl. Eckstein, Jutta: Agilität. Ein Baustein der dritten industriellen Revolution. In: HMD - Praxis der Wirtschaftsinformatik, vol.290, S.81.

[9] Vgl. Schwarzmüller/ Brosi/ Welpe (07.03.2016).

[10] Vgl. Jäger/ Körner 2016, S.104.

[11] Vgl. Jäger/ Körner 2016, S.106f.

[12] Vgl. Jäger/ Körner 2016, S.106.

[13] Vgl. Jäger/ Körner 2016, S.101f.

[14] Vgl. Nahles 2015, S. 25.

[15] Vgl. Schweer/ Seidemann (2015), S. 129.

[16] Vgl. Schweer/ Seidemann (2015), S. 129.

[17] die Generationen Y umfasst alle Menschen die nach 1980 geboren sein.

[18] Kretschmer, Winfried: Generation agil. Das Ende des Projektmanagements ist gekommen – ein Gespräch mit Roland Hanisch. In: ChangeX, 14.01.2014. Online verfügbar unter: http://www.changex.de/Artivle/interview_hanisch_generation_agil (zuletzt aufgerufen am: 21.11.2016), S.2.

[19] Kretschmer 14.01.2014, S.2.

[20] Vgl. Kretschmer 14.01.2014, S.3.

[21] Vgl. Eckstein vol.290, S.83.

[22] Gatterer, Harry: Mind the Future: das digitale Jetzt.

[23] Vgl. Eckstein vol.290, S.82.

[24] Vgl. Pur, Amanda: Die Zukunft vorbereiten. Fit für agiles Arbeiten, in: kenext.de, 01.08.2016. Online verfügbar unter: https://www.ke-next.de/management/die-zukungt-vorbereiten-fit-fuer-agiles-arbeiten-teil-1-109.html (Zuletzt aufgerufen am 13.09.2016). 

[25] Vgl. Schweer / Seidemann (2015), S. 130.

[26] Vgl. Toth, Stefan/ Vigenschow, Uwe/ Wittwer, Markus: Einfluss klassischer und agiler Techniken auf den Erfolg von IT-Projekten. Mai 2009, in: Oose Innovative Informatik (Hrsg.). Online verfügbar unter: http://www.oose.de/wp-content/uploads/2012/06/Ergebnisbericht_Projektmanagementstudie.pdf (Zuletzt aufgerufen am 29.09.2016), S.7.