Dark Agile

Agil ist zum regelrechten Hype-Wort geworden. Selbst Unternehmen und Teams, die nicht ganz den Sinn und Mehrwert von agilem Arbeiten  verstanden haben wollen schon lang auch agil werden: “Wir machen agil, weil alle anderen machen es ja auch” oder “Mein Chef hat gesagt wir sollen jetzt agil werden”. Daraus entsteht schnell Fake agileagiles Theater oder ein Methodenzirkus - nennt es wie ihr wollt. Wird nur die reine Methode (beispielsweise Scrum) und somit ein Target Operating Model ausgerollt, endet das schnell im Methodenzirkus. Agile Prozesse werden streng verfolgt und Werte jedoch gar nicht gelebt. Mitarbeitende sind nur Marionetten der agilen Methode ohne agile Seele - sie interagieren in agilen Kontexten ohne jegliche agile Kultur. Cargo Cult der feinsten Ausführung und ganz in dem Glauben alles Richtig zu machen. Eine Hülle von Agilität übergestülpt unter dem Deckmantel der alten Kultur, dem alten Mindset und den alten Verhaltensweisen. Liebevoll und der Versuch durch Humor die Dringlichkeit zu vermitteln, wird dieser Zustand Dark Agile genannt. 

 

Die Konsequenzen von Dark Agile


1. Kontrolle statt Vertrauen

ManagerInnen beginnen noch mehr zu managen, statt den Teams zu vertrauen und Freiräume zu geben. Sie fühlen sich unsicher in der neuen Welt. Hinzu kommt, dass die Teams meist noch in einem Lernprozess sind und sich selbst erst mit der neuen Arbeitsweise vertraut machen müssen - sprich alles geht nicht mehr intuitiv von der Hand sondern etwas langsamer. Anscheinend wirkt das für einige ManagerInnen so als würden sie mehr “Push” benötigen. Sie üben mehr Kontrolle aus, wollen messbare Metriken wie beispielsweise Velocity steigern oder Burndown-Charts noch mehr verbessern. Dabei ist es natürlich nicht falsch zu messen und zu checken, wie gut die Teams im agilen Kontext zurecht finden und wie sie sich verbessern können. Jedoch ist das ein Messinstrument für die Teams selbst. Mit diesen Daten sollen sie regelmäßig in die Retrospektiven gehen und daraus lernen. Sobald ManagerInnen diese nutzen um Vergleiche zwischen den Teams zu ziehen, verlieren wir den Gedanken der agilen Werte und Prinzipien. Es erhöht nur den Druck auf die Teams. Sie werden noch mehr gepusht und getrieben. Moment mal - gab es nicht ein Pull-Prinzip bei agilem Arbeiten? Genau hier haben wir ein Mindset und Kulturthema.

 

2. Siloagilisierung

Was in vielen Unternehmen anzutreffen ist, ist eine Art “Siloagilisierung” - also kleine Inseln, auf denen in einer sicheren Umgebung agil gearbeitet wird. Auch wenn sie zuerst vermeintliche Vorteile zusichern, wie: ungestörtes Arbeiten ohne auf klassische Strukturen und Hierarchien zu achten oder “wenn erstmal alle sehen wie toll es ist, werden sie auch agil”. Diese Form ist nur sinnvoll für Teams die zuvor schon völlig autark gearbeitet und kaum Schnittstellen haben. Für alle anderen bringen sie letztendlich viel Leid: der Druck zwischen zwei Organisationsformen (agil und klassisch) stetig zu wechseln, auf die Bedürfnisse beider Seiten eingehen und in der Konsequenz doppelte Arbeit zu verrichten, mehr zu reporten als zuvor und gefangen im Methodenzirkus zu sein. Schnell nimmt die dunkle Seite des agilen Arbeitens ihren Lauf. 

 

3. Agile Werte werden weichgekocht

Auch als totaler Befürworterin für die Anpassung an die eigenen Bedürfnisse, da es kein one-fits-all Konzept gibt, sollten die Grundpfeiler der agilen Konzepte bewahrt werden. Genau das Gegenteil passiert häufig: Unternehmen passen die Konzepte so weit an und weichen die agilen Werte so weit auf, dass sie sich gar nicht mehr verändern müssen. Nachdem die Veränderungen so gering sind, bleibt es bequem für Alle. Strukturen und Prozesse müssen somit auch nicht verändert werden. Agiles Arbeiten wird nur unter einem Deckmantel der bisherigen Unternehmenskultur, Verhaltensweisen und dem bisherigen Mindset gelebt.  

 

4. Mitarbeitende werden frustriert

In dem Wunsch und getrieben von einer besseren Zusammenarbeitswelt geben Mitarbeitende ihr Bestes den agilen Ansatz umzusetzen. Wenn sich die Unternehmenskultur jedoch nicht mit verändert und nicht das gesamte Management hinter der Kulturentwicklung und Transformation steht, dann kämpfen sie unentwegt gegen zu viele Mühlen. Letztendlich kostet das extrem viel Energie und Kraft und wird auf Dauer frustrieren. Im schlimmsten Fall verliert das Unternehmen so wertvolle Mitarbeiter. 

 

5. Mitarbeitende werden misstrauisch gegenüber neuen Veränderungen

Und das ist der Grund warum ich in Unternehmen immer wieder erklären muss, das agil nicht die “nächste Sau ist die durchs Dorf getrieben wird”. Haben Mitarbeitende schlechte Erfahrungen mit bisherigen Veränderungsprozessen gemacht, tendieren sie dazu weniger offen für Neues zu sein, sie bleiben bei Ihren alten Prozessen (“Es hat ja schon immer so funktioniert - warum etwas ändern?”) und sind wenig flexibel. Verübeln kann man es ihnen nicht, denn Energie in ein Fake-Projekt zu stecken ist verschwendete Energie. So ist es entspannter sich einfach zurück zu lehnen und zu warten bis es vorbei ist. Jedoch ist das genau das Gegenteil was Unternehmen in der VUCA Welt brauchen. Sie brauchen Mitarbeitende die neugierig für Neues sind, die gern Dinge ausprobieren, schnell aus Fehlern lernen und sich weiterentwickeln. Dafür braucht es Rahmenbedingungen, die das fördern.

 

Denken wir an Dark Agile und seine Konsequenzen, dann ist es kein Wunder, dass 52% der agilen Transformationen scheitern (13th State of Agile Report 2019). Sie scheitern weil sie nicht ausreichend Unternehmenskulturen berücksichtigen und Mitarbeitende mitgenommen haben. Die Entwicklung zu einer agilen Kultur ist dabei wesentlich für die Einführung agiler Arbeitsweisen. Agile Methoden und Kulturen können nicht einfach übergestülpt werden, sondern sollten sich mit der Unternehmenskultur und den Verhaltensweisen entwickeln. 

 

→ Lest hier was Unternehmenskulturen sind. 

→ Ihr habt noch nicht genug? Nächste Woche kommt der Folgeartikel zu Modern Agile: was aus Agilem Arbeiten wurde und wie auch das Konzept zu agilem Arbeiten sich weiterentwickelt hat.