Ansatz einer Kohäsiven Unternehmenskultur

Das offene, heterogene und holistische Kulturverständnis geht davon aus, dass Kultur nicht durch Grenzen determiniert ist, sondern dass diverse externe Faktoren die Kultur beeinflussen. In Anlehnung an die ethnologische Forschung geht dieser Ansatz davon aus, dass Kultur individuell gewachsen ist. Demnach sind Organisationen auch immer gleichzeitig Kulturen.[1]  Dabei bestehen Kulturen aus verschiedenen Kollektiven, z.B. Subkulturen,  (sogenannte Polykollektivität) und Personen sind Teil verschiedenster Kulturen (sogenannte Multikollektivität).[2] So trägt beispielsweise Person A die Familienkultur, die Unternehmenskultur, die Kultur des Sportvereins, evtl. auch Erfahrungen und Teile von Kultur aus anderen Regionen (Regionale Kulturen), in sich. All diese Kulturen, und sicherlich auch noch mehr, beeinflussen das Denken und Handeln dieser Person. So bringt sie auch ihre Kultur in andere Akteursfelder, beispielsweise in das Unternehmen, ein. Kultur beeinflusst Menschen und Menschen beeinflussen die Kultur (ganz im Sinne der Reziprozität[3]). Kulturen werden demnach auch als Netzwerke verstanden.[4]

 

Wird dieser Ansatz auf Unternehmenskultur übertragen, so kann konsultiert werden, dass hierbei Unternehmenskultur als emergentes System verstanden wird. Sackmann beschreibt Organisationskultur als viel komplexer, pluralistischer, diverser, widersprüchlicher bzw. paradoxer als häufig angenommen.[5] Dieser Ansatz berücksichtigt die Komplexität der Systeme und deren zahlreichen Einflussfaktoren.[6] Es wird nicht davon ausgegangen, dass es nur noch ein Richtig und Falsch gibt, vielmehr wird die Ansicht vertreten, dass es verschiedene Antworten aus verschiedenen Perspektiven auf ein Problem gibt (Sowohl-als-auch-Ansatz). Da nicht wie im geschlossenen Kulturverständnis eine Abgrenzung zu anderen Kulturen erfolgt, entstehen Kooperationen und Vernetzungen.[7] Die Unternehmensmitglieder werden als heterogen mit diversen Eigenschaften und Fähigkeiten betrachtet. Die Unternehmenskultur bezeichnet dabei alle Eigenschaften und Verhaltensweisen die die Organisationsmitglieder verbindet. Das meint nicht, dass alle gleich sind, sondern, dass allen Mitgliedern dieser Kultur Unterschiede bewusst und für sie normal sind. Rathje formuliert dies als „Zugehörigkeit zu einer Unternehmenskultur kann als kommunikativ vermittelte Vertrautheit mit den differenten Gewohnheiten einer Organisation verstanden werden.“[8] Unternehmenskultur wird nach diesem Ansatz also eher als Kitt gesehen.

 



[1] Vgl. Rathje, Stefanie: Gestaltung von Organisationskultur – ein Paradigmenwechsel. In: Barmeyer, Christoph/ Bolten, Jürgen (Hrsg.): Interkulturelle Personal- und Organisationsentwicklung. Methoden, Instrumente und Anwendungsfälle. Verlag Wissenschaft und Praxis o.O. 2010, S.16.

[2] Poly- und Multikollektivität wird im Anhang 7 erklärt.

[3] Reziprozität bezeichnet „die Gegenseitigkeit im sozialen Austausch und ist Teilaspekt einiger psychologischer Theorien, die sich mit der Einflussnahme auf menschliche Entscheidungen beschäftigen. Die Reziprozitätsregel besagt ganz allgemein, dass Menschen, wenn sie etwas erhalten, motiviert sind, dafür eine Gegenleistung zu erbringen.“ (Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik: Reziprozität, online verfügbar unter: http://lexikon.stangl.eu/ 507/reziprozitaet/ (Zuletzt aufgerufen am: 15.01.2017).

[4] Vgl. Bolten, Jürgen: Einführung in die interkulturelle Wirtschaftskommunikation. 2. Aufl., UTB Göttingen 2015, S.53.

[5] Vgl. Sackmann, Sonia: Cultural Complexity in Organizations. Inherent Contrasts and Contradictions, Sage Thousend Oaks London New Delhi o.J. Zitiert nach: Rathje, Stefanie: Gestaltung von Organisationskultur – ein Paradigmenwechsel. In: Barmeyer, Christoph/ Bolten, Jürgen (Hrsg.): Interkulturelle Personal- und Organisationsentwicklung. Methoden, Instrumente und Anwendungsfälle. Verlag Wissenschaft und Praxis o.O. 2010, S.19.

[6] Nach Bolten entsteht Unternehmenskultur auch durch die Reziprozitätsbeziehungen seiner direkten und indirekte Akteure.

[7] Vgl. Bolten, Jürgen: Fuzzy Cultures. Konsequenzen eines offenen und mehrwertigen Kulturbegriffs für Konzeptualisierungen interkultureller Personalentwicklungsmaßnahmen, in: SIETAR Journal für interkulturelle Perspektiven, 2013, mondial, S.5.

[8] Rathje, Stefanie: Gestaltung von Organisationskultur – ein Paradigmenwechsel. In: Barmeyer, Christoph/ Bolten, Jürgen (Hrsg.): Interkulturelle Personal- und Organisationsentwicklung. Methoden, Instrumente und Anwendungsfälle. Verlag Wissenschaft und Praxis o.O. 2010, S.21.

 

Polykollektivität und Multikollektivität

Kulturen bestehen aus verschiedenen Kollektiven. Diese können auch als Subkulturen bezeichnet werden. In der Abbildung werden Kollektive als Kreise mit K kennzeichnet. Personen sind dabei Teil verschiedenster Kollektive. Person B beispielsweise ist Teil des Kollektivs 1,2 und drei. Dabei hat es unterschiedlich starke Beziehungen zu den verschiedensten kollektiven, welche hierbei anhand unterschiedlicher Pfeildicken dargestellt werden. Demnach hat Person B  starke Beziehungen zu Kollektiv K3, aber schwache Beziehungen zu Kollektiv K1. Aus dem Kollektiv K2 kennt Person B auch Person C. Person C ist Teil weiterer Kollektive, der Person B nicht angehört. Aber Person C bringt Erfahrungen und Teile der Kulturen aus anderen Kollektiven auch in Kollektiv K2 ein. Somit kann gesagt werden, dass Kulturen nicht klar voneinander abgrenzbar, sondern die Grenzen eher schwammig sind (fuzzy). Aufgrund der Beziehungen entstehen Reziprozitätsdynamiken zwischen den Akteuren. (Vgl. Bolten, Jürgen: Fuzzy Cultures. Konsequenzen eines offenen und mehrwertigen Kulturbegriffs für Konzeptualisierungen interkultureller Personalentwicklungsmaßnahmen, in: SIETAR Journal für interkulturelle Perspektiven, 2013, mondial, S.5ff.).

 

Quelle der Abbildung: Bolten, Jürgen: Fuzzy Cultures. Konsequenzen eines offenen und mehrwertigen Kulturbegriffs für Konzeptualisierungen interkultureller Personalentwicklungsmaßnahmen, in: SIETAR Journal für interkulturelle Perspektiven, 2013, mondial, S.7.

 

Mehr Infos: